Langeweile aushalten: Wie du motiviert bleibst und deine Aufmerksamkeit behältst.

Pascal Schneider

Ein Beitrag von
Pascal Schneider
Ich bin Trompeter und hier bei tubalernen.de der „Techniker“.
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Wann hattest du das letzte Mal Langeweile? Ich muss zugeben, das wird bei mir selbst wohl in meiner Kindheit gewesen sein. Denn man hat ja entweder wichtiges zu tun oder man lenkt sich eben mit etwas aufregendem ab.

Gerade wenn man ein Instrument spielt und es ernst meint, könnte man ja jede freie Minute zum Üben nutzen. Kein Grund also für Langeweile! Ran an die Tuba und am letzten Schliff für das neue Solostück arbeiten. Oder eben mental die Noten durchgehen. Vielleicht Tonleitern spielen, tiefe Töne aushalten oder zumindest buzzen. Hmm.. Ganz schön langweilig, oder?

Überall lauern Ablenkungen

Zu unserer Erleichterung kommt dann doch noch ein lustiges Bild in einer WhatsApp-Gruppe oder eine Eilmeldung der Tagesschau-App. Vielleicht läuft auch dein Lieblingslied im Radio oder dir fällt ein, dass du noch was vom Abendessen von gestern im Kühlschrank hast. Dann wollen Kinder, Lebenspartner oder Mitbewohner etwas von dir wissen. Sicherlich gibt es auch noch einige Mails, die du lesen musst oder du wolltest dich sowieso noch schnell über einen günstigeren Stromtarif erkundigen. Ist ja schließlich auch wichtig.

Am Ende ist es schwierig, sich für eine Aktivität zu entscheiden und diese dann konzentriert auszuführen. Damit trainieren wir aber auch unserem Gehirn falsche Gewohnheiten an.

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Der US-amerikanische Forscher Clifford Nass hat herausgefunden, dass die typischen, ständig abgelenkten Multitasker sich stark von denen Menschen unterscheiden, die sich auf eine Sache konzentrieren können. Wer abgelenkt ist, könne etwa keine relevanten von irrelevanten Dingen unterscheiden:

„Sie haben kein Arbeitsgedächtnis. Sie sind chronisch abgelenkt. Sie nutzen viel größere Teile ihres Gehirns, die für die anstehende Aufgabe irrelevant sind… sie sind quasi geistige Wracks.“

Clifford Nass, npr.org

Aufmerksamkeit kann man trainieren

Multitasking gilt heute trotz allem als erstrebenswerte Fähigkeit. Wenn du aber ernsthaft vorankommen willst, musst du Störungen fernhalten, etwa indem du feste Zeitfenster schaffst, in denen du dich dann konzentrieren kannst. Da helfen verschiedene Techniken, zum Beispiel die sogenannte Pomodoro-Technik, bei der man sich etwa immer einen 25 Minuten-Timer stellt. In dieser Zeit arbeitest du fokussiert. Dann kannst du dich kurz entspannen, um danach wieder den nächsten 25 Minuten-Sprint einzulegen.

Gerade in den Pausen dazwischen ist es aber wichtig, nicht mal schnell aufs Handy zu schauen. Ansonsten ist man wieder ganz woanders, denn das Weltgeschehen da draußen geht ja munter weiter. Wenn du es schaffst, Ablenkungen nachhaltig zu verringern und deine eigene Konzentration zu kontrollieren, trainierst du damit auch dein Gehirn um – von einem dauerabgelenkten Multitasking-Gehirn zu einem, das nicht immer nur nach neuen Impulsen sucht, sondern sich längerfristig konzentrieren kann. (Wie du deine Pausen intelligent planen kannst, erfährst du hier.)

Kennst du schon…?

In deinen Übepausen oder wenn du etwa am Bahnhof auf den Zug wartest: Versuche, den Moment wahrzunehmen, statt wieder mit dem Kopf ganz woanders zu sein. Denn in Phasen der Langeweile geht dein Gehirn auf die Suche nach neuen Impulsen. Das können Tagträume sein oder Erinnerungen, die du ansonsten fast wieder vergessen hast (Raffaeli et al. 2018). Und schwupps: Schon denkst du an die peinliche Situation von vor ein paar Jahren und stehst träumend am Bahnhof.

Du musst also erst einmal Langeweile aushalten können. So lernt dein Gehirn, dass es mehr Wert auf einen besseren Fokus und eine längere Aufmerksamkeits­­spanne richten soll. Auch während langweiliger Aktivitäten ist das Gehirn damit beschäftigt, die Situation wertend einzuschätzen. Du bist vielleicht plötzlich wütend, weil der Zug mal wieder zu spät ist oder enttäuscht, weil es an der Tuba nicht so klappt wie erhofft. Dabei kannst du oft an der Situation gar nichts ändern. Und Enttäuschung ist nicht sehr konstruktiv.

Sicherlich kennst du auch das Phänomen wenn du zum Beispiel ein Buch liest: Nach ein paar Seiten stellst du fest, dass du gedanklich ganz woanders warst und gar nicht mehr weißt, was du da gerade gelesen hast. Genauso kann man auch beim Tubaspielen abschweifen. Die Noten spielt man so nebenbei, ohne dass die Dynamikangaben oder Markierungen überhaupt auffallen. Stattdessen zermürbst du dir den Kopf über etwas, das jetzt eigentlich gar keine Rolle spielt. (Hier mehr zum Thema: Die geheime Kraft der Konzentration.)

Positive Einstellung entwickeln

Wie schafft man es also, sich zu konzentrieren, nachdem Handy und Radio ausgeschaltet sind, man eine sturmfreie Bude zum Üben hat, der Kühlschrank weit weg steht – also alle externen Ablenkungsmöglichkeiten möglichst minimiert sind?

Hier liegt dir Lösung in dir selbst. Du musst die nötige Motivation mitbringen, die dich fesselt und dich dazu bringt, an der Tuba weiterkommen zu wollen. Das ist oft eine Einstellungssache. Die Psychologin Laura Carstensen hat Gehirne gescannt und festgestellt, dass man sich positive Einstellungen antrainieren kann. So erscheinen dann die gleichen Lebensumstände für verschiedene Menschen in einem ganz anderen Licht (Scheibe/Carstensen 2010).

In Pausen und Wartezeiten kannst du versuchen, die Situation wertfrei wahr­­zunehmen. Achte darauf, nicht abzuschweifen. Ein solcher Zustand der „Achtsamkeit“ (en.: Mindfullness; Bondolfi 2013) hilft auch bei Aufmerksamkeitsstörungen und Depressionen. Das Konzept kommt aus dem Yoga und du musst es dir antrainieren – Übung macht den Meister!

Tonleiterübungen bleiben Tonleiterübungen. Das einzige, was du ändern kannst, ist deine Einstellung zu den wichtigen, grundlegenden aber eben auch langweiligen Dingen, die nun einmal dazugehören.

Eine Übersicht zu Techniken, mit denen du deine Aufmerksamkeit steigern kannst, findest du in Raimunds Examensarbeit. Er hat auch beschrieben, wie dich das Internet und besonders die Sozialen Medien ablenken und wie du damit umgehen kannst:

Raimund Lippok – Examensarbeit zum Thema Konzentration

Raimund Lippok „Instrumentalspiel im Spannungsfeld kon­zen­trierten Übens und der men­talen En­tropie des digi­talen Alltags“
Wer beim Üben nicht konzentriert ist, kann es fast auch gleich sein lassen. Warum? Mit der Konzentration sinkt nach einiger Zeit auch die Leistung. Oft werden dann falsche Bewegungsabläufe eingeübt. Was man dagegen machen kann und warum uns gerade in der heutigen Zeit Konzentration so schwer fällt, erfährst du in meinem Buch. Kostenlose PDF für Mitglieder / Buch auf Amazon * / Video zum Buch
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Eine Übersicht über alle Kurse findest du auf tubalernen.de/kurse